Die geänderte und vielfach gelobte EU-Verordnung über das Abtrennen von Haiflossen bietet der Plünderung von Blauhaibeständen im Atlantik keinen Einhalt. Nachhaltige Fischerei sieht mit Sicherheit anders aus.
Silberne Sonnentrahlen brechen sich im glasklaren Blau des Atlantiks und bilden einen Vorhang für einen der elegantesten Jäger der Hochsee. Den Blauhai. Gleich zehn dieser torpedoartigen Haie ziehen für fast 2 Stunden ihre Kreise um mich herum und kommen dabei immer wieder bis auf wenige Zentimeter vor meine Kamera. Der grösste von ihnen hat fast 3 Meter Körperlänge.
Ein spektakuläres Erlebnis, dass ich in europäischen Gewässern niemals erwartet hätte. Während einer Foto-Reportage über Pottwale im Jahre 2010 kam ich zu einem der ersten Erkundungstauchgängen mit Blauhaien auf den Azoren. Schon im nächsten Jahr sollte das als exklusives Erlebnis für Tauchtouristen aus aller Welt angeboten werden.
Mittlerweile gehört das Erlebnis mit 10 Blauhaien im Wasser zu sein der Vergangenheit an.
Durchschnittlich 0 bis einen Hai bekommt man gegenwärtig bei einem Tauchgang zu Gesicht. Dabei werden die gesichteten Tiere nicht nur weniger sondern auch deutlich kleiner.
Meist sind sie nicht einmal mehr geschlechtsreif.
Der Grund: Die Blauhaibestände werden von der industriellen Fischrei wegen ihrer Flossen geplündert.
Wer dabei seine Gedanken ausschliesslich in Richtung asiatischer Fischfangflotten lenkt, liegt allerdings falsch. Es geschieht zum grössten Teil durch Flotten der Europäischen Union. Legalisiert durch fragwürdige EU-Verordnungen und zudem subventioniert durch den europäischen Steuerzahler.
Die schockierende Tatsache: Ein Drittel aller weltweit gehandelten Haiflossen stammen von Fischfangflotten der EU (Quelle: Sharkproject). Das entspricht einer Stückzahl von ca. 25 Millionen Haien im Jahr, die wegen ihrer Flossen von Schiffen der EU gefischt werden (Quelle: Wild Aid Report 2014). Der Fischereihafen im spanischen Vigo ist dabei noch immer einer der Hauptumschlagplätze des weltweiten Haihandels.
Schon im Jahre 2011 wurde Meeresbiologe Robert M. Lehmann Zeuge des drastischen Ausmaßes, wie spanische Flotten den Haibeständen im Atlantik zusetzen.
Er dokumentiert das Entladen eines spanischen Fischtrawlers im Hafen von Horta (Azoren),
der offiziell zum Schwertfischfang auslief. Die angelandete Ladung bestand allerdings zu über 90 % Prozent aus Blauhaien und war somit offizieller Beifang. Das ist auch heute noch die gängige Praxis. Um Lizenzen und Fangquoten muss sich dabei niemand kümmern. Es geht weniger um das Fleisch der Tiere. Es sind die Flossen, mit denen immer noch die Millionengewinne erzielt werden. Über das Schlupfloch einer Ausnahmeregelung war es sogar möglich, die Haikörper schon an Bord der Schiffe von ihren Flossen zu trennen. Dadurch können die Haie effektiver gelagert werden und durchaus auch von ihren Flossen getrennte Haikörper zurück ins Meer geworfen werden.
In 2011 wurden 80.000 Tonnen Blau- und Makohai von der spanischen und portugiesischen Flotte im Atlantik gefangen. Ein beträchtlicher Teil davon direkt vor den Azoren, einer Kinderstube der Blauhaie.
Aufgrund der Bestandsbedrohung drängten Wissenschaftler die EU zu einem Umdenken und zu Veränderungen.
Mit Änderung der EU Verordnung 1185/2003 zum Abtrennen von Haiflossen, dem sogenannten „Finning“, sollten nun die Bestände der Blauhaie geschützt werden.
Mit dem in Kraft treten der geänderten Verordnung war das Abtrennen der Haiflossen an Bord von Schiffen der EU demnach seit 2013 verboten – ohne weiteren Schlupflöcher. Das Einschneiden der Rückenfinne wurde jedoch ausdrücklich erlaubt und ermöglicht somit weiterhin eine effektive Lagerung der Haie in Schiffen und Containern.
Wie aktuelle Zahlen belegen, änderte sich im Hinblick auf die gefangenen Stückzahlen der Haie nichts. 60.000 Tonnen immer kleinerer und nicht einmal geschlechtsreifer Haie werden derzeit gefangen. So viele wie eben noch an den Haken gehen. Der einzige Unterschied: Die Haie werden nun im Hafen anstatt auf Schiffen von Ihren Flossen getrennt. Die zu erzielenden Gewinne mit Haiflossen rechtfertigen diesen Mehraufwand allemal. Die Motivation Haie wegen ihrer Flossen zu fischen, blieb auch durch eine geänderte Verordnung die Gleiche. Dabei wünscht man das mit Schadstoffen und Quecksilber belastete Fleisch nicht einmal seinem ärgsten Feind zum Essen.
Für das Fortbestehen der Blauhaie und Ihrer Artverwandter ist die in gewissen Kreisen gefeierte Änderung der Verordnung 1185 nicht mehr als eine Illusion. Jedem Mitglied einer aus Spezialisten bestehenden EU-Kommision sollte das eigentlich bewusst sein.
Der eigentliche Ansatzpunkt sind Fangbeschränkungen. Und vor allem die Art und Weise wie seitens der EU industrielle Hochseefischerei, in Form von Langleinenfischerei, betrieben wird.
Ein Desaster unvorstellbaren Außmaßes, dessen hässliche Seite kein Verbraucher, EU-Komissionär oder Politiker jemals zu Gesicht bekommt. Eine einzige Langleine erreicht über 100 Kilometer Länge und ist mit über 20.000 Haken versehen. Was sich in ihr verfängt ist absolut nicht zu steuern und zu kontrollieren. Mit nachhaltiger Fischerei hat diese Art zu Fischen, nicht das Geringste zu tun. Seevögel, Meeresschildkröten, Delfine, Robben und streng geschützte Haiarten sterben an ihren Haken. Da diese Tiere aufgrund ihres Status nicht angelandet werden dürfen, werden die Opfer fernab der Öffentlichkeit zurück ins Meer geworfen. Und niemand ist in der Lage, sich ein Bild davon zu machen.
Für die zu 98 % durch Langleinenfischerei gefangenen Blauhaie, beantragten die spanische CEPESCA und OR.PA.GU Flotte sogar das MSC Siegel für nachhaltige Fischerei.
Blauhaie gelten als Haie mit hoher Reproduktionsrate. Weibchen werden im Alter von 5-7 Jahren und Männchen im Alter von 4-6 Jahren geschlechtsreif.
Umso drastischer und katastrophaler ist es, dass momentan schon die kommende Generation abgefischt wird und der Blauhai offensichtlich Gefahr läuft, ausgerottet zu werden.
Selbst eine so reproduktive Art hat dem Fangdruck der europäischen Flotten anscheinend nichts mehr entgegenzusetzen.
2013 sitze ich mit dem Director of Sea Affairs der Azoren an einem Tisch. Dieser versucht mir klarzumachen, dass die drei Tauchbasen auf den Azoreninseln Pico und Faial mit ihrem Angebot des Blauhaitauchens dazu beitragen, Blauhaie ähnlich wie Pottwale zu schützen. Der Schutz der Blauhaie würde dadurch einen grandiosen Verlauf nehmen. Mit einem mitleidigem Lächeln konnte er meine Sorge um den Fortbestand einer Art aufgrund von zig-millionen gefischten Blauhaien im Atlantik nicht teilen.
Ernüchternde Tatsachen, die erahnen lassen, wer Verordnungen und Änderungen in EU-Verordnungen vorantreibt. Anstatt unabhängiger Komissionen scheinen Profiteure und Lobbyisten die Inhalte zu bestimmen.
Doch jenseits der vermeintlichen Lösungen der EU erscheint ein Lichtblick am Horizont. Dort wo man ihn als letztes vermutet hätte. Aufgrund von Aufklärungsarbeit brach die Nachfrage in Südchina nach Haiflossen um 84 % ein und auch der Preis für das Kilo Haiflosse sank um 50 %.
Der Markt und der Fangdruck auf die verbliebene Population an Blauhaien ist aber dennoch zu groß. Traurigerweise bedienen europäische Flotten diesen Markt. Anstatt mit dem Finger nach Asien zu zeigen ist die EU mit sinnvollen Regelungen zu Fangquoten und einem rigorosen Verbot der Langleienenfischrei gefordert. Für Begriffsfeilscherei über Haifinning und Lösungen, die nur Illusionen sind, ist längst keine Zeit mehr.